Über die Intensität der Streustrahlung bewegter Freier Elektronenvon W. Pauli, Zürich(3. VI. 33.)§1. Die ProblemstellungDurch die Formel von Klein und Nishina ist die Intensität der Streustrahlung durch anfangs ruhende freie Elektronen bestimmt. Die vorliegende Arbeit entstand aus der Problemstellung, ob gebundene Elektronen gemäss dieser Klein-Nishina’schen Formel streuen, sobald die einfallende Strahlung eine Frequenz besitzt, die gross ist gegen die Ionisierungsfrequenz des Atoms. Bei der Beantwortung dieser Frage ist zunächst zu beachten, dass bei endlichem Streuwinkel die Frequenz der gestreuten Strahlung bei wachsender Frequenz der einfallenden Strahlung gegen einen festen Grenzwert konvergiert und nicht beliebig anwächst. Schon aus diesem Grunde sind Abweichungen der Intensität der gestreuten Strahlung von dem durch die Klein-Nishina-Formel gegebenen Wert zu erwarten, die prozentual endlich bleiben, wenn beliebig anwächstv v ′v Man kann jedoch den Grenzfall betrachten, dass nicht nur beliebig anwächst, sondern auch , und zwar derart, dass der Quotient gegen einen festen Grenzwert konvergiert. Dies setzt allerdings voraus, dass der Streuwinkel mit wachsendem nach Null konvergiert (und zwar wie ). Wir wollen diesen Grenzfall (Auf die Bedeutung dieses Grenzfalles bin ich von W. Heisenberg aufmerksam gemacht worden.)v v ′/v v ′v 1/2v −v →∞ v ′→∞ /v v 1γ′→< (1)Kurz als “Limes L ” bezeichnen. Man könnte nun vielleicht vermuten, dass wenigstens in diesem Limes L die Intensität der Streustrahlung gleich ist dem für die betreffende Frequenz der Streustrahlung durch die Klein-Nishina-Formel gegebenen Wert . Die Prüfung dieser Frage hat jedoch ergeben, dass diese Vermutung nicht zutrifft . Hier wollen wir dies nur für bewegte freie Elektronen zeigen, während die etwas komplizierteren Verhältnisse bei gebundenen Elektronen in der nachfolgenden Arbeit von CASIMIR behandelt werden.v ′Im Fall der bewegten freien Elektronen zeigt es sich nämlich, dass auch im Limes L die Anfangsgeschwindigkeit der Elektronen in der Formel für die Intensität der Streustrahlung pro Frequenzintervall dv ′ nicht herausfällt, Es kann dies als eine Art Dopplereffekt der Streuintensität betrachtet werden.Im folgenden §2 führen wir allgemein die Lorentz-Transformation der Klein-Nishina-Formel durch, während der §3 den Übergang zum Limes L enthält.§2. Lorentz-Transformation der Klein-Nishina-FormelDer Absorptions- oder Schwächungskoeffizient A der in einer bestimmten Richtung einfallenden Strahlung der Frequenz pro Raumwinkel n v d Ω der gestreuten Strahlung ist folgendermassen definiert. Fällt eine bestimmte Anzahl von Quanten der Frequenz in einer gewissen Zeit auf die ruhende, auf der Einfallsrichtung 1N v t nsenkrechte Fläche mit dem Areal , so werden von diesen Quanten q 211N N Ad q=Ω (2) in den räumlichen Winkel d Ω gestreut. Ist 1E N hv =die während der Zeit einfallende Energie, so ist der Streukoeffizient pro räumlichen Winkel definiert durcht S d Ω1E ESd q′=Ω (3) worin 2E N hv ′′=die aus dem während der Zeit einfallenden Bündel gestreute Energie ist. Es gilt also t v Sd Ad v′Ω=Ω (4) Es ist zu beachten, dass die Zeit während der die Quanten gestreut werden, im Falle, wo sich das Elektron bewegt, eine andere ist, als die Zeit , während welcher die einfallenden Quanten durch die ruhende Fläche hindurchtreten. Und zwar ist t ′t 1t t D′= (5) Wennv 11cos 1(v D c cα=−=−)n i (6) Gesetzt wird, worin v die Anfangsgeschwindigkeit der Elektronen und α der Winkel zwischen ihrer Richtung und derjenigen der einfallenden Strahlung bedeutet. Fragen wir also nach dem Bruchteil Bd ΩDer pro Zeiteinheit in den räumlichen Winkel d Ω gestreuten Quanten zu den pro Zeiteinheit Durch die ruhende Querschnittseinheit einfallenden Quanten, so istt B A DA t ==′(7) Dieser Schwächungskoeffiizent B ist es, der durch die allgemeinen von Waller[1] und Dirac[2] angegebenen Formeln gegeben ist, während wir hier den Schwächungskoeffizient (bzw. den aus ihm folgenden Streukoeffizient ) betrachten wollen. Der letztere liegt auch den Betrachtungen in der ursprünglichen Arbeit von Gordon[3] zu Grunde, Es sei noch bemerkt, dass bei gebundenen Elektronen der Unterschied zwischen den Koeffizienten A S B und fortfällt, da in diesem Fall der Mittelpunkt des Elektronenwellenpaketes sich nicht fortbewegt.A Wir bezeichnen nun mit dem Index 0 alle Grössen, die sich auf das Bezugssystem beziehen, in welchem das Elektron zu Beginn des Prozesses ruht, während mit einem Akzent die Grössen bezeichnet werden, die sich auf den Zustand nach dem Streuprozess beziehen. Im System gilt dann nach Klein und Nishina für unpolarisierte Strahlung0K 0K 220000002000sin (v v v A d C d v v v ϑ′′0)Ω=+−′Ω (8) wenn ϑ den Winkel zwischen der Richtung n des einfallenden Quants und der Richtung desStreuquants bedeutet, sodass giltn ′ cos ()n n ϑ′= i (9) und wenn 42402e C m c= (10) gesetzt ist.Da die Lichtquantenzahlen und in GL(2) Invarianten sind, findet man sofort, dass eine Invariante ist.2N 1N (1/)q Ad Ω00110Ad A d q q Ω=Ω (11) Es lässt sich zeigen, dass selbst eine Invariante ist;q 0q q = (12)Sodass auch gilt0Ad A d 0Ω=Ω (13)Um (12) zu beweisen, bemerken wir zunächst, dass bei dem Ansatzx nct a =+ worin die Wellennormale bedeutet, und der Koordinatenursprung in eine zu betrachtende Wellenfront gelegt wird, folgt n ()2()x n ct a n −= i i 2 2222()x c t a n ct a −=+ iDa die Phase [()]v x n ct − i und 222x c t − Invarianten sind, ergibt sich weiter000()(v a n v a n )= i i 2200002()2()a n ct a a n ct a +=+ i iNun liege der Punkt x auf der Wellenfront, sodass ()a n 0= iDann gilt auch00()a n 0= i Das heisst Weltpunkte der Wellenfront liegen auch im anderen Bezugsystem auf der wellenfront. Ferner folgt dann220a a = d.h. alle räumlichen Abstände, von Punkten der Wellenfront bleiben bei Lorentz- transformationen invariant. Dies hat unmittelbar zur Folge, dass die Querdimensionen eines Lichtbündels sich bei Übergang zu einem anderen Bezugssystem nicht ändern. Die Transformationsformeln für die Frequenzen lauten mit Einführung der Abkürzungenv 11cos 1(v D c cα=−=−)n i (6) v 11cos 1(v D c cα)n ′′=−=−′ i (6’) (α und α′bedeuten die Winkel der einfallenden bzw. gestreuten Strahlung mit derGeschwindigkeitsrichtung des Elektrons vor dem Prozess)0v 1cos v D α−= (14)0v 1cos v v α′−′=′ (14’) Wenn2E =die Energie des Elektrons vor dem Prozess bedeutet. Ferner gilt, dav v ()([]n c ci i bzw.v v ()([]n c ci ′′′ i Die Komponenten je eines Vierervektors bilden, als Folge der Invarianz des skalaren Produktes dieser Vierervektoren000(1cos )(1cos )vv v v ϑϑ′′−=− (15) Wobei mit ϑ und 0ϑ die Streuwinkel im ursprünglichen und im Ruhsystem bezeichnet sind.Führen wir die Abkürzungen ein1cos x ϑ−= 01cos x 0ϑ−= (16)So folgt aus (15) und (14), (14’) die Invarianz von0220x x ()DD E m c =′2 (17) Ferner gilt bekanntlich als Folge des Energie- und Impulssatzes im Ruhsystem2000011x ()m c v v h=−′ (180) Also folgtx ()D D E v v h′=−′ (18) Was man auch durch Anwendung des Energie- und Impulssatzes direkt bestätigen kann. Endlich folgt für den in (8) vorkommenden Wert von 20sin ϑ22222200000001111sin 2x x 2()([]m c m c m c m c h E v D vD h E v D vD ϑ=−=−−−′′′′)0 (19) Für die räumlichen Öffnungswinkel der Lichtbündel des gestreuten Strahles gilt ferner die bekannte Transformationsformel220v d v d ′′Ω=Ω (20) Aus (13), (14), (14’) und (20) folgt schliesslich das Endresultat22220002202sin ()(m c v v vD v D Ad A d C v v ED v D vD)ϑ′′′′Ω=Ω=+−′′ (21) worin 20sin δ aus (19) entnommen werden kann. Für den Streukoeffizient findet man sodann gemäss (4) S 2320032sin ()()m c v vD v D Sd C d v ED v D vDϑ′′′Ω=+−′′Ω (22)§3. Übergang zum Limes LWir wollen jetzt noch den Übergang zum Limesv →∞ v ′→∞ /1v v γ′=<machen. Nach (17) und (18) wird dannx →000x →20sin 0ϑ→und wegencos cos cos sin sin cos ααϑαϑϕ′=+ (23) wenn ϕ das Azimut der Richtung der Streustrahlung in Bezug auf die Ebene durch und v istn cos cos αα′→ /1D D ′→Aus (22) folgt also im Limes L222021()(m c Sd C d EDγγΩ=+Ω (24) Wir wollen nun noch den Streukoeffizient umrechnen auf die Strahlung pro . Hiebei ist zu beachten, dass wegen der Abhängigkeit der Grösse dv ′D ′ von ϑ und ϕ gemäss (18) v nicht nurvon ′ϑ, sondern auch von ϕ abhängt. Und zwar folgt bei festem Azimut ϕ gemäss (18) 211v cos cos sin cos sin ()dv h h Ddk dD dk v E v E v c dk ϑααϕϑ′′−=+=++′ also 21v cos 1sin cos sin ()(ED dv E v h dk hc v v ϕcos αϑαϕϑ′−=++′ Im Limes L ist2112()ED kv v h ϑγ→→− also geht 1v ϑgegen Null wie und es ist im Limes 1/2v −L 2dk ED v dv h′−→′ und dies ist im Limes L unabhängig vom Azimut ϕ. Wegenx v S dv Sd Sd d ϕ′′=Ω=folgt also im Limes L22200212()v m c m c dv S dv C h ED vγπ′′′=+ (25) Es fällt also, wie behauptet. die Geschwindigkeit im Endresultat nicht heraus. Für hat manv v 0=0220002012()v m c dv S dv C h v γ0π′′′=+ (25) Sodass im Faktor 20m c EDin (25) die Anfangsgeschwindigkeit des Elektrons explizite vorkommt.Zürich, Physikal. Institut der E. T. H.[1] J. Waller, ZS. f. Phys. 61, 837, 1930, GL.(23’’).[2] P. M. A. Dirac, Proc. Cambr. Phil. Soc. 26, 361, 1930.[3] W. Gordon, ZS. f. Phys. 40, 117, 1926.。